Nach 6 Jahren noch mal studieren?

Seit 2013 darf ich mich „Bachelor of Engineering“ (Maschinenbau) nennen. 2 Jahre lang arbeitete ich als Konstrukteurin und bin dann relativ schnell ins Projektmanagement gerutscht. Das Interesse für IT-Themen habe ich seit dem Studium, aber mehr auch nicht. Letztlich gab es viele andere Dinge, die mich ausgelastet haben.

Mittlerweile arbeite ich nur noch 35h pro Woche & habe plötzlich wesentlich mehr Zeit und vor allem abends auch noch einen freien Kopf, noch mal was anderes zu machen. So ploppte (mal wieder) der Gedanke auf, nebenberuflich zu studieren. Am liebsten „was mit Informatik“.

Studieren: Wieso, weshalb, warum?

Ich vermute, viele lügen über die Motivation ihres nebenberuflichen Studiums. Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle rein aus Freude am Lernen einen MBA machen oder nur wegen der Herausforderung noch mal die Schulbank drücken. Ein gibt ein paar dieser Idealisten, aber in meinem Freundeskreis bekomme ich eher andere Gründe mit:

  • Bessere Chancen bei großen Firmen
  • Bessere Position bei der Gehaltsverhandlung
  • Bessere Aufstiegschancen / Türoffner für Berufswechsel
  • Minderwertigkeitsgefühle aufgrund des bisherigen Abschlusses
  • Macht sich gut im Lebenslauf, auch ohne 1 vorm Komma

Wer über mehrere Jahre ein Teilzeitstudium durchziehen will, muss sich seiner Motivation im Klaren sein.

Was ist meine Motivation?

Motivation Nr. 1: Mangelnde Qualifikation. Ich betreue bei uns Studenten, die für mich ein wenig programmieren. Zusätzlich stimme ich mich mit anderen ITlern ab. Ich rutsche beruflich in Bereiche, für die ich als Maschinenbauerin nicht qualifiziert bin. „Ich kümmere mich um die GUI.. wer kümmert sich ums Backend?.. Für die Anwendung ist eine relationale Datenbank am besten geeignet, bei der Anwendung tuts auch SQLite.“ Sätze, die jeder ITler kennt und mich hingegen in die Arme von google treiben. An die ITler: So fühlt ihr euch vermutlich, wenn ich von Steiner, Hertzscher Pressung und Flächenträgheitsmoment reden würde.

Motivation Nr. 2: Ein Studium zwingt zur Struktur und bringt einem die nötigen Basics bei. Ich will nicht erst in einer Besprechung merken, welche Grundbegriffe mir fehlen.

Motivation Nr. 3: Quereinsteiger sind nicht überall akzeptiert. Ein entsprechender Abschluss erhöht die Akzeptanz, auch bei potentiellen Arbeitgebern.

Motivation Nr. 4: Lehrbefähigung. Wenn ich bei uns Masterarbeiten betreue, muss jemand anderes die Unterschrift leisten. Ein Uni-Master wäre also praktisch. Zudem wird auch die Maschinenbau-Branche durch die Digitalisierung immer mehr mit IT-Themen verschmelzen.

Motivation Nr. 5: Geistige Unterforderung. In meiner jetzigen Branche wird die Digitalisierung zwar auf jeder Messe angepriesen, aber mit angezogener Handbremse vorangetrieben. Da Automatisierungen gut bezahlte Arbeitsplätze gefährden, macht man höchstens (wenn überhaupt) die Neuerungen mit, zu denen man aus Wettbewerbsgründen gezwungen ist.

Motivation Nr. 6: Die Uhren ticken in der IT anders. Dies hängt sehr mit Punkt Nr. 5 zusammen. Ich bin immer wieder überrascht, wie selbstständig die meisten ITler arbeiten. Da wird mitgedacht, alle sind per Du, man probiert auch mal was Neues aus, geht auf Meetups, die Leute sind breit aufgestellt (DevOps & Full Stack). Im Maschinenbau-Bereich hinken wir da noch 10 Jahre hinterher. „Sie haben Fragen zu Scheibenwischer links? Tut mir leid, ich bin nur für den rechten zuständig.“ Ich stelle in meiner Branche ein starkes Silo-Denken fest: Nur wenige schauen über den Tellerrand. Was der andere Fachbereich macht, selbst wenn dieser 1 Tisch weiter sitzt, ist ihm meistens egal.

Fazit

Ich sehe es realistisch: Meine Beweggründe für ein Fernstudium sind nicht die romantischsten, sondern sehr pragmatischer Natur. Da mein Beruf nicht unter dem Studium leiden soll, werde ich den Fokus darauf legen, das zu lernen, was beruflich am wichtigsten ist. Ich setze mir die eigene Latte sehr niedrig: Ich lasse mir für die Prüfungen so viel Zeit wie ich will. Wichtiger ist es, dass ich mir das fachliche Wissen aneigne und das hat nicht immer zwangsläufig was mit dem Studium zu tun.

2 Antworten zu “Nach 6 Jahren noch mal studieren?”

  1. Hallo Jenny,
    ich weiß leider nicht zu welchem Beitrag meine Frage gut/besser passen würde, daher stelle ich sie hier, da es ja auch um das Arbeiten geht.
    In deinem anderen Blog sprichst du von einem Jobwechsel in den IT-Bereich. Wie hat dieser stattgefunden? Wie hast du diese Stelle gefunden? Was für Aufgaben übernimmst du dort?
    Bitte verstehe mich nicht falsch, aber im Prinzip bist du ja jetzt wieder eine Art duale Studentin, die sich das Wissen für den Job gerade erst aneignet, allerdings (davon gehe ich jetzt einfach mal aus) mit Vollzeitjob + Vollzeitgehalt im Gegensatz zu einem Gehalt einer dualen Studentin.
    Ich frage deswegen, da mich seit einiger Zeit das Thema „aus einem eher IT-fremden Bereich in einen IT-Job wechseln mit/ohne IT-Master“ sehr beschäftigt 🙂

    1. Hi Julius,
      bist vermutlich einer der wenigen, die sich auf den Blog verirren. 🙂 Ich schreibe die Kurzform hier, falls sich andere die gleiche Frage stellen. Schreib mir aber gerne auch privat (exstudentin@gmail.com). Würde mich interessieren, was du vorhast.
      Kurzform: Ich bin Projektleiterin, da ist der Wechsel leichter. Mein neuer AG ist von der Struktur her sehr ähnlich zu meinem alten, sodass auch die Tätigkeiten sehr ähnlich sind. Ich bin bei einem Dienstleister und koordiniere ein Team, was über mehrere Länder verteilt ist. Da die Projekte ohnehin jedes mal anders sind, ist fehlendes Domänenwissen (und dass man sich das Wichtigste aneignen muss) normal. Als PL muss ich primär: Anforderungen richtig erfassen, Aufgaben ins Team einsteuern, Infos einholen um Entscheidungen zu treffen, Status&Informationen an jegliche Beteiligte verteilen und finanzielle & rechtliche Dinge im Blick haben.
      Ich muss also nicht programmieren können, wobei ein grobes Verständnis für die Abläufe schon hilfreich ist. Für den Wechsel reichte es vorerst, Fachbegriffe zu lernen und die Zusammenhänge der Technologien+Tools grob zu kennen. Allerdings wurde ich bei meinem Wechsel gedowngradet, was meine Einstufung betrifft. Im Anlagenbau gehörte ich zu den sehr erfahrenen PLs und habe auch Leute ausgebildet. Bei meinem neuen AG muss ich nun wieder unten in der Nahrungskette anfangen und zeige da sicherlich keinem, wie man programmiert 😀 Kratzt am Ego, aber ist eigentlich auch eine gute Motivation.

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